Guinea

Wertschätzung lässt Frauen aufblühen

15.4.2024
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5
Min.
Adama mit Diplom und Conny an der Diplomfeier

Wie kann man das Leben und Arbeiten in Conakry auf zwei Seiten beschreiben? Wer denkt, dass in Afrika alles langsamer, gemächlicher und einfacher läuft, der täuscht sich ... Alles ist oft kurzfristiger, lebendiger, anstrengender und überraschender als in unserer westlichen Welt. Das meiste, was wir hier erleben, ist unvorhersehbar.

Doch beginnen wir mit der vierten Klasse der Hauswirtschaftsschule: Am 19. September 2023 war es wieder soweit: Die Spannung war gross – wie viele der zwölf Frauen, die im Mai die Aufnahmeprüfung bestanden hatten, würden erscheinen? Drei Monate waren dazwischen, da kann in Guinea viel passieren. So waren wir sehr erfreut, als zehn Frauen pünktlich zum Schulbeginn auftauchten. Es war eine sehr heterogene Klasse: fünf verschiedene Ethnien, mehrere Religionen und sehr unterschiedliche Wissensstände. Nach zwei Wochen hatte sich dann die Klasse mit neun Schülerinnen gebildet, und einmal mehr waren wir erstaunt, wie regelmässig und pünktlich die Frauen zum Unterricht erschienen. Jede der neun Frauen brachte ihre Geschichte mit – und dies sind keine einfachen Biografien: ledig mit Kind, verstossen mit Kindern, zwangsverheiratet und immer noch nicht schwanger ... Diese Frauen zeigen uns, wie das Leben hier in Guinea läuft: Es ist meist kein einfaches Leben und geprägt von vielen familiären Ansprüchen und kulturellen Regeln. Insbesondere Frauen können sich kaum dagegen wehren, denn sie müssen machen, was das Familienoberhaupt befiehlt.

Eine sehr gemischte Frauengruppe wächst zusammen

Kampf gegen moderne Sklaverei

Kurz nach Schulbeginn bekamen wir bereits erste Anfragen von potenziellen Arbeitgeberinnen. Über eine Facebookseite für «Expats» konnten wir unsere Schule weiter bekannt machen und es gab viele Anfragen, die aber gut zu prüfen waren. Viele reiche Frauen hier in Conakry suchen eine Hausangestellte – doch oft sind die Arbeitszeiten unmenschlich, nicht familienfreundlich und wir müssen zudem um jeden Lohnfranken kämpfen. Uns wurde in den vergangenen Monaten vor Augen geführt, dass es moderne Sklaverei tatsächlich noch gibt. Dank unseren Vermittlungen und harten Verhandlungen können wir die Frauen weitgehend vor Ausnützung und Missbrauch schützen. So war es zeit- und kräfteraubend, gute und faire Arbeitsverträge abzuschliessen. Doch es gab auch die andere Seite: Schülerinnen, die gut an einer Arbeitsstelle gestartet waren und deren Umstände zu Hause plötzlich schwierig wurden. Es gab kranke Familienmitglieder, die verlangten, dass die Schülerin zu Hause blieb. Oder eine alleinerziehende Mutter, die Beruf und Betreuung der Kinder einfach nicht auf die Reihe kriegte. So wurden auch Arbeitgeberinnen enttäuscht, was für uns als Vermittelnde nicht einfach zu ertragen war.

Beliebter Koch- und Backunterricht

Die schönsten Stunden im Leben

Am 2. März durften wir dann neun Diplome verteilen – dies ist jedes Mal ein grosses Fest mit vielen Emotionen. Doch davor holten wir noch Feedbacks der Schülerinnen ein, und dies berührte uns dieses Mal sehr stark. Ein paar Beispiele:

«Ich wurde jeden Schultag begrüsst und beim Namen genannt – das ist mir noch nie in meinem Leben passiert!»
«Die zwei Vormittage pro Woche während sechs Monaten waren die schönsten Stunden in meinem bisherigen Leben.»
«Ich gehe nun mit dem Korb auf den Markt und brauche nicht mehr täglich 4-6 Plastiksäckchen.»
«Seit ich jeden Tag genügend Wasser trinke und Früchte esse, so wie Madame es uns eingetrichtert hat, bin ich gesund. Dadurch kann ich viel Geld sparen, das ich sonst für teure Medikamente brauche.»

«Noch nie habe ich erlebt, dass ich Freundinnen aus anderen Ethnien haben kann. Wir hatten es alle wunderschön zusammen. Alle werden mir wie Schwestern fehlen.»
Diplomübergabe am 2. März – ein grosses und emotionales Fest

Vom grauen Entlein zum weissen Schwan

A. ist 17 Jahre alt, hat nur wenig Schulbildung und wurde mit einem viel älteren Mann verheiratet. Sie ist vom Dorf in die riesige Stadt gekommen – ohne Freunde und Verwandte in der Nähe. Eine Frau aus der Nachbarschaft bringt sie zu mir und drängt darauf, dass wir sie aufnehmen. Wir sind uns zuerst nicht sicher – sie scheint kaum schreiben zu können und ist zudem sehr scheu. Doch irgendwie haben wir die Überzeugung, dass wir ihr eine Chance geben sollten. Ihr Mann gibt nach langem Zögern die Einwilligung. A. kommt am ersten Schultag, am zweiten nicht mehr. Sie ruft auch nicht an, obwohl ich das von allen erwarte, die nicht kommen können. Als ich sie anrufe, finde ich nach langem Nachfragen heraus, dass sie kein Geld hat, um Telefonkredit und das Taxi zu bezahlen. Nur ganz widerwillig nimmt sie Geld von uns an. Sie schämt sich und möchte nicht mehr kommen. Wir insistieren und bald wird klar, dass sie eine praktisch sehr begabte Frau ist. A. und ihr Mann haben nicht immer zu essen, ihr Mann verdient nur ab und zu etwas Geld. So suchen wir intensiv nach einer passenden Arbeitsstelle für A. Plötzlich melden sich amerikanische Kollegen, die dringend jemanden brauchen. Beim Vorstellungstermin wagt A. kaum ein paar Worte zu reden. Doch das Ehepaar spürt, dass sie eine gute Frau ist. Sie stellen sie ein und sind vom ersten Tag an begeistert von ihr.
Am Diplomfest strahlt A. ohne Ende, und wir staunen über ihre Verwandlung: aus dem scheuen grauen Entlein ist ein wunderschöner weisser Schwan geworden.

Aus einer scheuen Frau ist eine strahlende Persönlichkeit geworden (siehe Titelbild)

In eigener Sache

Im Januar 2024 durften wir mit vier unserer Mitarbeitenden ein Jubiläum feiern: Daniel und Marie je 25 Jahre und Etienne und Siba je 15 Jahre Mitarbeit. Wir feierten dies gebührlich auf der Insel mit Baden, Essen und Spielen. Wir sind so dankbar für unsere Mitarbeiterschaft, die zuverlässig und treu mit uns unterwegs ist.

Gemeinsamer Ausflug auf die Insel

Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung.
Cornelia & Peter F.

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