Sri Lanka

Gemischte Gefühle im Blick auf Krisen und Chancen

30.6.2023
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10
Min.
Eine Gruppe von Menschen in Sri Lanka bei Bastelarbeiten

Mit gemischten Gefühlen trat ich am 1. Mai meine dritte Monitoring-Reise nach Sri Lanka an.

Im Vergleich zum letzten Jahr befand sich eine grössere Schar von Touristen im Flugzeug, was ein sehr positives Zeichen für die krisengebeutelte Tourismusbranche ist. Neben mir sass ein junger Sri-Lanker, der in London in einer Bank arbeitet und seine Familie in der Heimat besuchen will. Er ist typisch einer der vielen schlauen Köpfe, die (leider) ihre Chance im Ausland suchen, weil sie auf der Insel keine Zukunftsvision haben. Gemischte Gefühle… weshalb?

Eine freudige Sache
Krishan und Faith T. haben mich am Flughafen abgeholt. Bei einem feinen Mittagessen berichteten die beiden, wie sehr ihr Ausbildungsprogramm für Sonntagsschullehrerinnen und -lehrer gefragt ist. Rund zehn Mal im Jahr verbringen sie einen Samstag irgendwo im Land, um Verantwortliche verschiedenster Denominationen zu schulen (siehe den Beitrag von Faith weiter hinten). Ein weiterer wichtiger Arbeitszweig ist die regelmässige Begleitung der rund 100 Angestellten von Leads, einer Organisation, die sich um Kinder kümmert, welche Missbrauch erlebt haben. Um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, arbeitet Faith als Übersetzerin und Krishan produziert Lobpreismusik für verschiede Musiker/innen oder Bands. Das Treffen mit ihnen hat mich aufgestellt, können wir doch hier mit einem relativ geringen finanziellen Beitrag eine sehr wirkungsvolle Arbeit unterstützen.

Leitungsübergabe?!
Mein nächster Termin war ein Gespräch mit Dr. Sam T., Gründer und Leiter von SAIT (South Asia Institute of Theology), wo einmal monatlich während einer Woche Pastoren und Gemeindemitarbeitende ausgebildet werden, die hauptsächlich in ländlichen Gebieten arbeiten. Leider hat die Zahl der Studierenden in den letzten Jahren stark abgenommen. Die ursprünglich zur Mitfinanzierung der Schule lancierte Viehzucht ist auf drei Tiere geschrumpft und zu einer finanziellen Last geworden. Mein Hauptanliegen war jedoch, von Sam zu hören, wer seine Nachfolge antreten würde. Sam hat mir bestätigt, dass er Simon B. als akademischen Dekan bestimmt hat. Dieser teilt die Vision der Schule, die Pastoren nicht nur theologisch auszubilden, sondern ihnen auch Kenntnisse in beispielsweise Hühner-/Viehzucht oder Gartenbau zu vermitteln, damit sie ein Einkommen erwirtschaften können. Dies wäre insofern wichtig, weil die kleinen, ländlichen Gemeinden meist nicht in der Lage sind, ihren Pastoren ein angemessenes Einkommen zu garantieren. Eine berufliche Tätigkeit würde die Pastoren auch näher an die Gesellschaft bringen – was dringend nötig wäre, denn zu viele sind zu sehr mit ihrer Gemeinde beschäftigt und haben keine Sicht nach aussen. Aus meinen weiteren Gesprächen mit Simon B. und Noel A. (Direktor von Homsa/SAIT) habe ich gezogen, dass die Kommunikation zwischen den drei Verantwortlichen leider nicht optimal verläuft. Dr. Sam hat bisher das SAIT mehr oder weniger allein geführt und Entscheide mit niemandem besprochen. Das hat auch dazu geführt, dass frühere Mitarbeitende meist nicht allzu lange am SAIT geblieben sind. Leider hat auch Noel angekündigt, seine Verantwortung als Direktor niederzulegen, weil er sich zu wenig einbringen konnte und weil kaum Rechenschaft über die Aktivitäten wie auch über die eingesetzten Finanzen abgelegt wurde. Dies hat mich betroffen gemacht, denn auch ich als Vertreter von SAM global habe in den letzten rund zwei Jahren wohl zu wenig auf einer transparenten und lückenlosen Rechenschaftslegung bestanden.

Glücklicherweise scheint Simon B. jemand zu sein, der Gründlichkeit und Transparenz liebt. Er hat grosse Visionen und möchte auf dem Gelände von SAIT, das sind 17 Hektare Land in den Teeplantagen auf der südlichen Hälfte der Insel, einige visionäre Projekte realisieren. Seine Ansprüche an Finanzgeber scheinen auf den ersten Blick sehr hoch. Ich bin im Moment nicht sicher, ob SAM global sich nebst der Pastorenausbildung noch auf neue Projekte wird einlassen können.

Kirchgemeinden aktivieren
Meine Reise hat mich von Colombo nach Kandy im Landesinneren geführt. Hier hat mich Lal S. am Tag der Lampions (ein buddhistischer Feiertag) zum berühmten Elefantenwaisenhaus Pinnawela geführt, was mich ermutigt hat, bei einem der nächsten Besuche vielleicht doch einmal meine Familie mitzubringen ;-)

Lal ist der Leiter des Lanka Bible Colleges & Seminary LBCS sowie dessen Ableger in Colombo. Momentan sind es 45 junge Männer und Frauen, die hier gemeinsam wohnen und studieren. Zudem bietet das LBCS Onlinekurse an, welche gut besucht sind – fast zu gut, denn das grosse Gebäude, welches LBCS in Colombo besitzt, bleibt seit Corona mehrheitlich leer, da viele junge Studierende die Flexibilität des Online-Unterrichts und wohl auch die Einsparung der Transportkosten sehr schätzen. Insgesamt sind die Verantwortlichen jedoch sehr zufrieden, wie die Schule läuft. Sorgen machen sie sich mehr um die Gemeinden. Auch hier stellt man fest, dass sich die Gemeindeverantwortlichen meist fast ausschliesslich nach innen orientieren. Christen werden in der Gesellschaft entsprechend wenig wahrgenommen. Lal möchte dies ändern und hat dafür einen zweitägigen Kurs ausgearbeitet, den er bereits online, mit rund 60 Gemeindeleitenden, durchgeführt hat. Nun möchte er an vier bis fünf Orten, verteilt über die ganze Insel, das Seminar als Präsenzveranstaltung durchführen. Ziel dabei ist, Gemeinden für ein ganzheitliches Verständnis des Auftrages von Jesus Christus zu sensibilisieren. Von hier bin ich ermutigt weiter nach Trincomalee weitergereist.

Plan B vorbereiten
Der Besuch am CCS (College of Construction Skills) würde nicht einfach werden, das wusste ich. Familie Brunner hat mich herzlich empfangen und ich fühlte mich wohl, ja fast in den Ferien, liegt doch das CCS direkt am Meer. Die grosse Herausforderung hier ist, dass Familie Stefan und Daniela B. mit ihren Kindern Mitte September dieses Jahres in die Schweiz zurückkehren werden. In der Sitzung mit dem Vorstand ist schnell klar geworden, dass sich unsere Befürchtungen, dass das CCS ohne Hauptleiterschaft dastehen wird, bald bestätigen werden. Wir alle wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich eine geeignete Person oder besser noch ein Ehepaar finden lässt, das die Hauptverantwortung übernehmen könnte. Andererseits bereiten wir einen Plan B vor, in dem die Leitung unter den drei Supervisoren und dem neuen Administrator aufgeteilt würde. In diesem Fall scheint es uns wichtig, dass die Verantwortungen ganz klar zugeteilt werden. Das war ja auch unter der Leitung durch die beiden Familien R. und B. der Fall. Bei wichtigen Entscheidungen, die die Kompetenz der vier Leitungspersonen überschreiten würden (z.B. Lohnfragen), müsste der Vorstandspräsident einbezogen werden. Für diese Lösung ist jedoch ein völliges gegenseitiges Vertrauen im Leitungsteam unverzichtbar. Dies kann mit regelmässigen Kontakten, transparenter Kommunikation und ehrlicher, vorerst monatlicher Berichterstattung erreicht werden.

Es wird für Stefan und Daniela eine Herausforderung sein, die Aufgaben in so kurzer Zeit zu übergeben. Ich persönlich denke aber, dass die Supervisoren eine Chance verdient haben, zu beweisen, wozu sie tatsächlich fähig sind. Nur die Umsetzung dieses Planes kann zeigen, wo tatsächlich Lücken bestehen. So sind wir verblieben und ich habe Trincomalee zwar nicht mit leichtem Herz verlassem, aber gespannt darauf, wie Gott diese wertvolle Arbeit weiterführen wird.

Spannendes Projekt
Zurück in Colombo traf ich mich nochmals mit Noel A., welcher nebst seinem HOMSA-Mandat nationaler Leiter von «Every Home for Christ» ist. Zudem ist er Gründer und Leiter von Lanka Hope Partner, einer sozial-humanitären Organisation, welche Lebensmittel an Bedürftige verteilt, einzelnen Familien hilft, ein Einkommen zu erwirtschaften oder in Colombo in einem armen Quartier günstige Nachhilfestunden anbietet. Interessant finde ich das Microbusiness, in welchem eine Familie Teeblätter in kleine Tüten abpackt und diese dann als Digni-Tea verkauft (engl. Wortspiel mit «Würde» und «Tee»). Ich möchte mit Noel im Kontakt bleiben, um eine mögliche Zusammenarbeit mit Lanka Hope Partner zu evaluieren. So habe ich Sri Lanka im Bewusstsein verlassen, dass sich in «unseren» Projekten demnächst einiges verändern könnte. Die Spannung zwischen positiver Erwartung und Stress bleibt – gemischte Gefühle, eben.
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher Sri Lanka

LOLA-GOLA – loslassen und Gott machen lassen

Bewusst wurde das CCS im Vertrauen auf Gott aufgebaut. Junge Männer sollen hier eine Chance bekommen, eine Ausbildung zu machen und dabei auch persönlich zu wachsen. Es wurde stets mit Gottes Hilfe weitergeführt durch viele Höhen und Tiefen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir das CCS nochmals Gott hinlegen. Wir wissen, dass unser Weggang im kommenden September grössere Veränderungen in der Leitung des CCS nötig machen. Diese sind nicht ohne Risiko. Wir müssen in dieser Situation LOLA-GOLA üben, eben loslassen und Gott machen lassen. Wie passend für unsere Situation, wie schwierig die Umsetzung für uns. Aber diesen Satz wollen wir stets vor Augen behalten.

Wieso gehen wir?
Seit mehr als einem halben Jahr tragen wir die Hauptleitung am CCS allein. Dabei starteten wir mit Familie R. als vierköpfiges Leitungsteam. Die Kinder hatten Spielkameraden und wir konnten die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen. Auf die Dauer alleine weiterzumachen, stand für uns nie zur Debatte – es geht nicht. Wir hofften auf neue Mitarbeitende, die dann doch nicht kamen oder noch nicht gekommen sind. Das setzte uns zu. Wir bekamen zunehmen Mühe mit der Situation und fühlen uns erschöpft. Wir haben es uns mit der Entscheidung, in die Schweiz zurückzukehren, nicht leicht gemacht, wissen wir uns doch nach Sri Lanka berufen. Und die Lernenden, die Mitarbeitenden und ihre Familien sind uns ans Herz gewachsen. Leider mussten wir diesen Entschluss trotzdem fällen.

Was machen wir jetzt?
Wir wollen in den kommenden Wochen das Beste aus dem bereits Vorhandenen machen. Wir haben beschlossen, alle Arbeitsbereiche klar abzustecken und zu strukturieren. Diese Bereiche werden dann auf die drei langjährigen Vorarbeiter und den Büroangestellten verteilt. Wir bereiten nun die jeweiligen Teammitglieder vor, dass sie diese Bereiche ohne unsere Hilfe leiten und die Verantwortung tragen können. Dies dauert bestimmt einige Monate. Dabei soll keiner vom Team zum Schulleiter werden, sondern sie sollen die Leitung gemeinsam wahrnehmen. Vorübergehend wird Stefan an den regelmässigen Teammeetings dabei sein (von der Schweiz aus per Videokonferenz) und für wichtige Entscheide noch zur Verfügung stehen. Wir hoffen, dass Gott hier eine Lösung schafft. Auf längere Sicht braucht es unserer Meinung nach einen Schulleiter hier vor Ort. Ob der nächste Schulleiter in der Schweiz oder in Sri Lanka gefunden wird, wissen wir nicht. Wir vertrauen, dass Gott die richtigen Personen hierher ruft. Danke für euer Mittragen.
Stefan und Daniela B., Leitung CCS

Eine wunderbare Fügung

Kürzlich wurden wir nach Balangoda, im Bezirk Ratnapura in der Provinz Sabaragamuwa, eingeladen. Das ist ein sehr abgelegenes Gebiet, in dem die Menschen hauptsächlich vom Anbau von Gemüse, Obst, Gewürzen und Reis leben. Viele sind Analphabeten und die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Gebiet sind Hindus. Okkulte Rituale sind sehr verbreitet, die gute Nachricht von Jesus Christus jedoch kaum und es gibt nur sehr wenige Kirchen. Der Pastor einer dieser Kirchen war früher Buddhist und wurde jahrelang von bösen Geistern geplagt. Er verlor seinen Vater und seine beiden Schwestern in sehr jungen Jahren plötzlich und ohne ersichtlichen Grund. Dann machte ihn ein Passant mit Jesus Christus bekannt. An diesem Tag wurde er vollständig befreit und nahm Jesus Christus als seinen persönlichen Retter an. Mit nur zwei anderen Personen startete er ein Hausgebetstreffen. Die Veränderung war so offensichtlich, dass sich immer mehr Menschen Jesus zugewendet haben, weil sie diesen Frieden auch erleben wollten. Inzwischen zählt die Kirche 200 Gläubige. Sie mussten Zweiggemeinden gründen, da es an Transportmitteln mangelt und einige Gebiete nicht mit Fahrzeugen erreicht werden können. Die Gemeindeglieder sind Analphabeten. Der Pastor und seine Frau bemühen sich redlich, ihnen alles beizubringen, was sie wissen. Die Familien kommen mit ihren Kindern in die Kirche, und darum gibt es natürlich Bedarf an einem Programm für sie. Aber niemand wusste, was eine organisierte Sonntagsschule bedeutete. Da sah die Frau des Pastors eines Tages ein kleines Flugblatt, das vor rund zehn Jahren gedruckt worden war. Darin standen mein Name, meine Handynummer und dass ich Ausbildungsprogramme für Sonntagsschullehrer durchführe. So fing alles an. Die Frau des Pastors setzte sich mit mir in Verbindung und ich stimmte zu, das Schulungsprogramm mit ihnen zu machen. So fuhren mein Mann Krishan und ich am 22. April 2023, einem Samstag, zu ihnen. Sie waren so froh, uns zu sehen und Unterricht von uns zu erhalten. Der Pastor hatte auch andere geeignete Personen aus den umliegenden Gemeinden eingeladen. Die Frau eines Pastors meinte, dass sie zum ersten Mal lerne, wie man eine geistliche Lehrperson für die Kleinen werden könne. Wir freuen uns, dass Gott uns diesen Dienst geschenkt hat und sind SAM global für alle Unterstützung sehr dankbar. Gott segne euch.
Faith T.

SAM global
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