Vom 3. bis 8. April besuchte ich (Bea Ritzmann) das Team vom ProRIBEIRINHO. Priscille, eine Mitarbeiterin des ProSERTÃO-Teams, begleitete mich. Da sie noch nie in der Region von Belem, respektive Portel gewesen war, war es für sie eine Entdeckungsreise. Sie schildert ihre Eindrücke:
Je mehr Orte ich in Brasilien besuche, desto bewusster wird mir, wie riesig dieses Land ist. Wir können nicht von einem Brasilien sprechen, sondern von «mehreren Brasilien». Die Realitäten sind in der Tat sehr unterschiedlich. Im Piaui, also im Nordosten, wo ich arbeite, haben wir Wassermangel. Hier in Pará (Region von Belem) sind wir von Wasser umgeben und das Leben wird vom Fluss bestimmt. Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten: die Sprache, Farinha (Maniokmehl), Feijão (Bohnengericht) etc. und die gleichen Herausforderungen, welche mit der Armut verbunden sind.

Wir konnten das ProRIBEIRINHO-Team auf einer Reise zum Fluss Pacaja begleiten, wo wir eine kleine Gemeinde besuchten, welche zweieinhalb Stunden von der Stadt Portel entfernt liegt. Dort lebten wir drei Tage lang auf dem Schiff, das wie ein zweites Zuhause wurde, nahmen unsere Mahlzeiten ein und hatten unsere Gespräche und Sitzungen. Am Sonntagmorgen konnte ich sogar die Sonntagsschule mit den Kindern auf dem Schiff abhalten. Das Zusammensein mit dem Team war eine Zeit des Austausches, der Ermutigung und der Auferbauung. Ich traf auf ein motiviertes Team mit dem echten Wunsch, Gott und den Menschen an den Flüssen zu dienen. Das Team steht vor einer riesigen Aufgabe und bleibt voller Hingabe an dieser Arbeit dran. Die Mitarbeitenden haben uns an ihren Erfolgen, Herausforderungen und Träumen teilhaben lassen und wir konnten mit jedem von ihnen beten. Ich glaube, dass diese Zeit für sie wie eine «Mini-Retraite» war und eine Gelegenheit, aufzutanken. Ich konnte ihnen auch eine Methode vermitteln, wie man biblische Geschichten erzählt und wie man sich mit Gottes Wort im Kontext einer oralen Kultur befasst. Viele Ribeirinhos können nicht lesen und sind darauf angewiesen, dass man ihnen die biblischen Geschichten erzählt. Partizipatives Bibelstudium, welches alle dazu ermutigt, gemeinsam über das Wort Gottes nachzudenken und sich zu äussern, sind in diesen Regionen unüblich. Wir haben das als Team mit der Geschichte von Martha und Maria geübt. Pastor Daniel setzte diese Methode dann sogleich in der kleinen Gemeinde in die Praxis um, und zwar mit der Geschichte von Jesus, der auf dem Wasser ging. Nach zaghaften Anfängen kam es zu einem regen Austausch unter den Teilnehmenden.

Zurück in Portel haben wir das Sozialzentrum besucht. Der Verein ProRIBEIRINHO teilt sich die Räumlichkeiten mit einer öffentlichen Schule. Diese Partnerschaft ist für beide Seiten ein Gewinn. ProRIBEIRINHO bietet Nachhilfe-Unterricht an und gibt gleichzeitig biblische Geschichten und Werte weiter. Das Zentrum empfängt auch Jugendgruppen und Erwachsene für sportliche Aktivitäten, junge Frauen für Strickkurse usw. Ich war beeindruckt von der Vielfalt der Aktivitäten und wie positiv sich diese auf die Gemeinschaft auswirken.
Priscille P.

Verstärkung für das geforderte Team
Auch ich empfand die Besuchsreise als Bereicherung und eine gesegnete Zeit. Gefreut hat mich auch, dass ich den neuen Mitarbeiter, Pastor Eder, bei dieser Gelegenheit persönlich kennen lernen durfte. Pastor Eder ist 47 Jahre alt und ledig. Er erzählt:
Aufgewachsen bin ich in einer typischen Ribeirinho-Familie als Ältester von zehn Geschwistern. Unsere Siedlung war mit 22 Häusern allerdings grösser als die meisten Siedlungen in den abgelegenen Gebieten. Mein Vater war als Händler mit dem Boot unterwegs und hatte quasi einen «schwimmenden Laden». Er verkaufte Kleider, Nahrungsmittel und weitere nützliche Dinge des Alltags. Meine Mutter arbeitete im Haus und Garten und kümmerte sich um die Hühner, Schweine und Gänse, welche wir für unseren Lebensunterhalt hielten. Weil meine Eltern selbst nur fünf Jahre lang zur Schule gehen konnten, wollten sie, dass wir Kinder die Oberstufe besuchen und den Abschluss machen können. Mit diversen Unterbrüchen und einer verlängerten Schulzeit schaffte ich dieses Ziel. Bereits als 14-Jähriger half ich in der Jugendarbeit meiner Gemeinde mit. Sowohl der Pastor als auch meine Mutter ermutigten mich, eine Bibelschule zu besuchen. Eigentlich wäre ich gerne Geschichtslehrer geworden, hatte aber dafür nicht die Ressourcen. 15 Jahre später, nachdem ich mit diversen Jobs Geld verdient und für die Ausbildung gespart hatte, konnte ich das Bibelseminar in Abaetetuba besuchen und wurde Pastor. Anschliessend habe ich einige Jahre an verschiedenen Orten als Pastor gearbeitet. Seit Januar 2025 bin ich hier und lerne aktuell die drei Flüsse mit ihren Gemeinden kennen. Ich freue mich, Teil dieser wertvollen Arbeit zu sein.

In den nächsten Monaten sollte ein weiteres Ehepaar zum Team stossen. Daniel hat als Projektleiter ein grosses Arbeitspensum zu bewältigen, ebenso Elizete, die die verschiedenen Aktivitäten im Sozialzentrum koordiniert. Sie ist dankbar, dass ihre langjährige ehrenamtliche Mitarbeiterin Josinette nun von der örtlichen Schule, welche das Zentrum nutzt, eine Entlöhnung für die Nachhilfestunden bekommt. Reginaldo muss mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen leben lernen, da er für eine Operation seiner Aortavergrösserung noch zu jung ist. Felipe wartet nach wie vor auf die Auszahlung seiner Rente und arbeitet weiter. ProRIBEIRINHO hat kürzlich die Ankerkennung als «gemeinnützige Organisation» bekommen. Damit können sie mehr finanzielle Unterstützung vom Staat oder von Firmen erhalten. Die langjährigen Probleme mit dem Geldtransfer von der Schweiz nach Brasilien konnten dank einer Überweisungs-Plattform endlich gelöst werden.
Im Namen des ProRIBEIRINHO-Teams danke ich euch ganz herzlich für eure treue Unterstützung und schicke euch herzliche Grüsse vom Team.
Beatrice Ritzmann, Länderverantwortliche
