Mitten in der Grossstadt Conakry, ein bisschen versteckt in einem kleinen Tal, befindet sich unser «Abri» (dt. Unterschlupf), ein Haus für Frauen in Not.

Vor etwas mehr als zwei Jahren las ich die Geschichte von Blanche Peyron, einer Frau, die mit der Heilsarmee nach dem 1. Weltkrieg in Paris ein riesiges Frauenhaus gegründet hat. Sie war mit der Familie Booth befreundet, den Gründern der Heilsarmee. Diese Geschichte packte mich so sehr und erinnerte mich fast durchwegs an die Situation in unserer Stadt: hunderttausende von Frauen, die entweder auf der Strasse leben, verlassen sind, hungern, Kinder allein aufziehen, keine Bildung haben oder wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Der folgende Spruch von William Booth hat in mir ein Feuer entzündet, das schon lange am Glühen war:
«So lange die Frauen weinen, werde ich kämpfen; so lange die Kinder Hunger leiden, werde ich kämpfen; so lange Männer ins Gefängnis gehen, werde ich kämpfen; so lange es noch ein armes verlorenes Mädchen auf der Strasse gibt, werde ich kämpfen; so lange es noch eine dunkle Seele ohne das Licht Gottes gibt, werde ich kämpfen – ich werde kämpfen bis ganz zum Schluss.»
Dieser ganzheitliche Ansatz gefällt uns: Suppe-Seife-Seelenheil – der Slogan der Heilsarmee. Dies ist auch die Art und Weise, wie wir hier in Conakry leben. Wir wissen, dass auch die ärmsten und verachtetsten Frauen einen Gott haben, der sie sieht! Deshalb wollen auch wir sie sehen. So bekam die Idee konkrete Umsetzungspläne: Zusätzlich zur Hauswirtschaftsschule sollte ein Haus entstehen, wo Frauen, die keine Bleibe haben und Schutz brauchen, einziehen können. So renovierten wir das alte Gästehaus sanft und organisierten eine einfache, aber intakte und schöne Einrichtung. Die Idee fand auch bei der Schweizer Botschaft Anklang, die uns mit einem schönen Beitrag unterstützte. Damit konnten wir zusätzlich eine Solaranlage installieren und eine Wasserbohrung machen. Nun sind wir vom Strom und Wasser der Stadt unabhängig.

So schafften wir Platz für sieben bis maximal zehn Personen – Frauen und Kinder. Sehr gerne hätten wir noch eine ausgebildete Person, die sich hauptsächlich um das Abri kümmern kann. Leider haben wir bis jetzt noch niemanden gefunden. So läuft das Abri seit Herbst 2024 auf eher niedrigem Niveau. Wir beherbergen fünf erwachsene Frauen, zwei Teenager und ein Kind. Marie und Le-Future sind zwei dieser Frauen:
Trotz Einschränkungen selbständig werden
Marie ist 30 Jahre alt und eine Albinofrau. Wir kennen sie schon seit Herbst 2021, als eine Freundin sie zu uns brachte. Marie ist sehr stark sehbehindert und erheblich eingeschränkt. Sie war verheiratet, wurde aber von ihrem Ehemann verstossen, weil sie nicht zum Islam konvertieren wollte und sich weigerte, Opferfleisch zu essen. Mit ihrer Behinderung hatte sie keine Chance, eine Arbeitsstelle und eine Unterkunft zu finden. So absolvierte sie die Hauswirtschaftsschule bei uns. Es wurde aber bald klar, dass Marie zu stark eingeschränkt ist und nicht in einem Haushalt arbeiten kann. Wir nahmen sie im Abri auf, kamen anfänglich für alle ihre Bedürfnisse auf und überlegten mit ihr zusammen, wie sie selbständig werden könnte. Zeitweise hat sie eine Anstellung als Babysitterin und daneben gaben wir ihr einen kleinen Kredit. Damit hat sie Stoffe, Kleider und Schuhe gekauft, die sie nun verkauft. In der Zwischenzeit ist Marie zu ca. 80 % selbständig geworden – sie kann gratis bei uns wohnen, für den Rest kommt sie selbst auf. Ihre zehnjährige Tochter Fatim besucht eine gute Schule, was der grösste Wunsch ihrer Mutter war.

Sie lässt sich nicht unterkriegen!
LeFuture ist eine sehr intelligente, junge Christin. Sie hat in Kongo Brazzaville Medizin studiert und eine Bibelgruppe für Medizinstudierende und Ärzte gegründet im Rahmen der weltweiten VBG-GBU. Durch dieses Engagement exponierte sie sich stark, wurde von der Universitätsleitung mehr und mehr schikaniert und fiel zu Unrecht durch die Prüfungen. Zuletzt wurde sie an ihrer Fakultät nicht mehr zugelassen und auch an keiner anderen medizinischen Fakultät im ganzen Land. Da hat sich ein Arzt von der GBU Guinea, der sie kannte, eingeklinkt. Er fand in Conakry eine Privat-Uni, die sich bereit erklärte, LeFuture aufzunehmen, und bat uns, diese junge Frau im Abri wohnen zu lassen. Nun ist die willensstarke und resiliente Frau seit letztem November bei uns. Mit einem Fundraising organisiert sie Geld, damit sie die hohen Studiengebühren, ihr Essen und die Transportkosten bezahlen kann. Sie wohnt kostenlos bei uns und ist eine sehr frohe Person, die der Gemeinschaft guttut. So leben im Abri ganz unterschiedliche Frauen – jede mit einer schweren Lebensgeschichte. Doch wenn wir zusammen sind, zusammen feiern, beten, singen und einander aus dem Leben erzählen, spüren wir eine Freude, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Zurzeit haben wir zwei freie Plätze. Wir stellen fest, dass manchmal Frauen, die bei uns wohnen möchten, dies nicht dürfen, weil irgendein entferntes älteres Familienmitglied dagegen ist. Das sind Grenzen, gegen die wir machtlos sind. Die Frauen dürfen sich nicht über Familiengesetze hinwegsetzen. Wir vertrauen auf unseren Vater im Himmel, dass er uns die Frauen uns schickt, die es besonders nötig haben.

Und wieder ein Abschluss
Am 5. April 2025 fand in der Hauswirtschaftsschule die Diplomfeier statt – etwas später als normalerweise, weil wir das Ende des Ramadans abwarten wollten. Stand heute haben bereits fünf von acht Absolventinnen eine Arbeitsstelle gefunden. Mehr Informationen zur Schule, zum Schulabschluss und zu weiteren Projekten folgen in den nächsten NEWS.
Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung.
Cornelia & Peter F.