Guinea

Verbunden sein, sich gegenseitig unterstützen

28.11.2025
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5
Min.
Matthias und Ruven stehen mit ein paar Erwachsenen und Kindern vor einem Haus

Die ActionVIVRE Schule hat nun die ersten Monate ohne Expats in physischer Reichweite hinter sich. Der Austausch via Computer/Smartphone hat in dieser Zeit gut funktioniert. Er war intensiver, als ich im Vorfeld gedacht hatte.

So freute ich mich auf den Besuch in AV Nord im Oktober. Ziel meiner Reise war einerseits, beim Start des Schuljahres präsent zu sein und so den Lehrern und der Bevölkerung zu zeigen, dass die Schule SAM global weiterhin am Herzen liegt. Andererseits wollte ich möglichst viele Partner vor Ort sehen: den Ausbildungsort der Lehrpersonen und die Verantwortlichen des christlichen Schulverbands in Conakry. Ausserdem wollte ich die Schulen im Fouta besuchen, mit welchen AV Nord freundschaftlich verbunden ist, sich teils in der Vergangenheit auch finanziell engagiert hat und dies weiterhin tun wird. Die letzte Station der Reise war AV Süd, wo ich die Schule, die Amélie, Sandro und Nathalie neu aufbauen, kurz sehen konnte.

Begleitet wurde ich von einer vierköpfigen Reisegruppe, darunter mein Sohn Ruven. Für ihn war es eine schöne Reise in die Vergangenheit, ist er doch hier aufgewachsen. Für mich ist vieles in Guinea normal oder ich habe mich daran gewöhnt (auch wenn es natürlich Dinge gibt, an die ich mich nie gewöhnen würde). Mit dabei war ein Gymnasiallehrer. Ich finde es spannend zu hören, was ihm aufgefallen ist:

Du hast den Schulanfang miterlebt. Was bleibt dir besonders in Erinnerung?
Wie die Schüler im Unterricht zusammen die Antworten schreien. Und wie die Lehrer es schaffen, die Sätze so anzufangen, dass die Klasse sie im Chor beenden kann.

Die Unterrichtsbedingungen an der Schule in AV Nord sind ganz anders als in der Schweiz. Was hat dich beeindruckt oder überrascht?
Ich war beeindruckt, wie geordnet es im Unterricht zugeht und dass Schule trotz der grossen Armut des Landes überhaupt in Gebäuden, mit Tischen und Tafeln möglich ist. Und im Unterricht war eine positive Stimmung. Überrascht hat mich, dass die Kinder schreien: «Je me lève», wenn sie aufstehen. Ich hatte auch sehr grosse Klassen erwartet mit rund 70 Schülern, was hier jedoch nicht so ist. Neu war für mich auch, dass die Eltern Schulgeld bezahlen müssen und dass anscheinend selbst Staatsangestellte ihre Kinder lieber auf private Schulen schicken.

Gab es auch Dinge, die du nicht verstanden hast?
Ja, diesen leicht militärischen (oder soll ich sagen: disziplinarischen) Drill beim Aufstehen und Hinsetzen oder auch beim Morgengruss.

Du warst in der Lehrerweiterbildung mit dabei. Wie hast du das erlebt?
Ich fand es cool, dass du zuerst gesagt hast, was die Vision der Schule ist. Und ich fand die Erkenntnisse zum «Growth Mindset» spannend. Dabei handelt es sich um die Einstellung, dass man lebenslang lernt, Fähigkeiten weiterentwickelt und Fehler als Gelegenheit ansieht, es das nächste Mal besser zu machen. Überrascht hat mich, dass die Lehrer sich etwas schwer taten, Papierflieger zu falten (also handwerklich) und dass am Ende plötzlich eine super langatmige Diskussion entstanden ist über irgendwelche Themen, die gar nicht in der Weiterbildung vorgesehen waren.

Was brauchen die guineischen Schulen am dringendsten?

Schreibmaterial, da nicht alle Kinder beispielsweise eine Schiefertafel haben.

Erzähle von deiner eindrücklichsten Begegnung:
Das war eindeutig die mit den Expat-Familien und vor allem mit ihren Kindern. Zu sehen, wie sie leben, hat mich sehr an meine eigene Kindheit in Kamerun und Tansania erinnert.

Gute Atmosphäre, aber grosse Herausforderungen

Dankbar blicke ich auf diese zwei Wochen in Guinea zurück. Die geplanten Meetings konnten bis auf eines alle stattfinden. Die Atmosphäre war durchwegs gut, es wurde Freud und Leid miteinander geteilt. Alle Schulen kämpfen mit den ähnlichen Herausforderungen: teils überforderte Lehrpersonen; niedrige Löhne, welche zum Beispiel eine Behandlung im Spital kaum zulassen; Schulbücher, die der Staat liefern sollte, die jedoch nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind oder Eltern, die das Schulgeld nicht bezahlen können oder wollen. Dies sind nur ein paar Beispiele.

Matthias mit der Direktion und den Lehrern der AV-Schule

Engagierte Lehrpersonen

In der ActionVIVRE Schule konnten alle Stellen besetzt werden. Auf der Oberstufe haben wir mehr Lehrkräfte fest anstellen können als in den vergangenen Jahren – so hoffen wir auf mehr Kontinuität. Der Direktor hat mich gebeten, die Vision der Schule mit den Lehrern zu teilen. Das tat ich gerne, die Lehrpersonen waren voll dabei.

Ich genoss die überraschenden Wendungen und die lustigen Situationen, beispielsweise das laute, herzliche Gelächter über die kuriosen Flugbahnen der Papierflieger.

Kurzinfos

Der Bau der zweiten Primarschule im Quartier hinter dem Hügel ist in Planung. Wir wünschen uns, zuverlässige, gute Arbeiter zu finden.
Felix, der Buchhalter der AV Schule, möchte in AV Nord bleiben. SAM global hilft ihm, Land zu kaufen und den Bau des Hauses mit einem (zinslosen) Kredit zu finanzieren.
Der Rückblick von Daniela über ihre über 20 Jahre in Guinea wird in den nächsten AV Nord NEWS das Hauptthema sein.

Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung.
Matthias Rychen

SAM global
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