Guinea

Neue Situation im Land bringt Veränderungen

16.11.2021
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Min.
Team von Ärzten in Guinea

Am 5. September 2021 sah ich im WhatsApp-Status unseres Administrators in Guinea die Nachricht, dass in der Nähe des Präsidentenpalastes in Conakry geschossen werde. Kurz darauf erhielten wir die Bestätigung, dass ein Staatsstreich stattfand.

Der bisherige Präsident Alpha Condé wurde abgesetzt und durch eine Übergangsregierung unter dem Obersten Mamady Doumbouya ersetzt. Als Grund gab die Militärjunta die ausufernde Korruption, Menschenrechtsverletzungen und das wirtschaftliche Missmanagement an. Kurz darauf ernannte sich Oberst Doumbouya zum neuen Staatspräsidenten. Die Reaktion in der Bevölkerung war positiv, zum Teil enthusiastisch. Der mittlerweile 83-jährige Alpha Condé, 2010 der erste demokratisch gewählte Präsident Guineas und damals ein Hoffnungsträger, hat im Verlauf der Jahre viele Leute enttäuscht. 2020 boxte er eine Verfassungsänderung durch, die ihm ein drittes Präsidentschaftsmandat erlaubte. Die Proteste dagegen wurden hart unterdrückt oder durch Ausgangs- und Reisesperren, welche mit der Corona-Pandemie begründet wurden, im Keim erstickt. Damit hatte er sich den letzten Goodwill in der Bevölkerung verspielt. Der Putschführer stammt aus der gleichen Volksgruppe und der gleichen Präfektur wie Alpha Condé. International wurde der Putsch natürlich (wie üblich) scharf verurteilt – bisher hat es aber Gott sei Dank keinen Abbruch der Entwicklungszusammenarbeit gegeben. Ebenfalls wie üblich hat die Militärjunta versprochen, die Macht wieder in zivile Hände abzugeben – bisher aber ohne konkrete Termine.

Zoom mit der CHRS-Leitung

Lage ist ruhig – bringt jedoch Veränderungen mit sich

Entgegen unserer Befürchtungen blieb es ruhig im Land. Rasch wurden die Grenzen wieder geöffnet und der Alltag nahm seinen normalen Lauf. Die Preise für Treibstoff und Lebensmittel blieben stabil. Das neue Schuljahr begann wie üblich im Oktober, wie mir der Direktor unseres Partnerspitals CHRS (Centre Hospitalier Régional Spécialisé de Macenta), Dr Ismaël B., in einem Zoom-Gespräch mitgeteilt hat. Die Regierungsbildung ist im Gang, der neue Premierminister stammt sogar aus Macenta. Allgemein werden viele Veränderungen in den hohen Verwaltungsposten erwartet. Für das CHRS ist das eine schlechte Neuigkeit – die mit viel Aufwand geknüpften Beziehungen zu den Behörden müssen erneuert werden (was wieder Reisen in die Hauptstadt bedeutet). Wird das CHRS weiterhin auf Wohlwollen zählen dürfen? Im Frühjahr hatte das Gesundheitsministerium versprochen, dass es zusätzliche CHRS-Mitarbeitende auf seine Lohnliste nehmen wolle, was SAM global und das CHRS deutlich entlasten würde. Nun ist unklar, ob dieses Versprechen umgesetzt wird.

Fibroscan - Dr. B. zeigt, was er in seiner Ausbildung in Dakar gelernt hat

Projekte entwickeln sich erfreulich

Abgesehen davon läuft es im CHRS aber erfreulicherweise gut, obwohl jetzt seit mehr als einem Jahr keine SAM global-Mitarbeitenden mehr vor Ort sind. Im August haben Benjamin S. und Michel O.G. ihre Ausbildung als Orthopädietechniker in Togo erfolgreich abgeschlossen. Benjamin wurde sogar Klassenbester. Wegen der Grenzschliessungen aufgrund von Covid-19 mussten sie per Flugzeug zurück nach Guinea reisen, was zwar zusätzliche Kosten für SAM global bedeutete, aber schliesslich funktionierte. Anfang November haben sie nun ihre Arbeit im CHRS begonnen. Damit neigt sich das Orthopädie-Projekt (eines der grössten Projekte, welches das ProESPOIR je durchgeführt hat), einem erfreulichen Ende zu! Danke an all diejenigen, die es unterstützt haben.
Weiterhin wollen wir als SAM global jedes Jahr eine Summe von ca. 15’000 Euro zur Subvention von Orthesen und Prothesen bereitstellen, damit Patientinnen und Patienten wirklich von der Infrastruktur und dem Knowhow profitieren können.

Die Schweizer Ärztinnen zu Besuch beim präfektoralen Gesundheitsdirektor

Ebenfalls im August waren die Ärztinnen Cornelia S. und Deborah T. für einen Monat in Macenta, dies im Rahmen des Hepatitis B-Projektes «Forêt-B-plus» (siehe Ausgabe der ProESPOIR NEWS vom Mai 2021). Trotz einiger Herausforderungen läuft das Projekt gut – jetzt sind wir am Schlussrapport. Im September 2021 konnte ich am Schweizerischen Infektiologie-Kongress provisorische Resultate vorstellen.

David Leuenberger am Infektiologie-Kongress in Montreux

Eine grosse Ermutigung

Ich selbst konnte wichtige Beziehungen knüpfen im Blick auf den geplanten Ersatz der Röntgenanlage im CHRS. Das bisherige Gerät ist über 20 Jahre alt und in erbärmlichem Zustand. Die Qualität der Bilder ist schlecht, und die Filme und Chemikalien für die Entwicklung in der Dunkelkammer sind kaum mehr erhältlich. Es ist aber die einzige Röntgenanlage in der ganzen Präfektur Macenta!
Im August konnte ich eine Firma in Lausanne besuchen, die ein Gerät speziell für die Tropen entwickelt hat. Zudem hat mir der Radiologie-Chefarzt am Kantonsspital Aarau seine fachliche Unterstützung zugesagt. Momentan bin ich daran, das Dossier zu entwickeln und Geldquellen zu suchen. Die Zusage einer riesigen persönlichen Spende (40’000 CHF) durch eine befreundete Familie hat mich enorm ermutigt!

Die besten News zum Schluss

Es wird wieder Langzeit-Mitarbeitende geben im ProESPOIR! Im Verlauf des Sommers konkretisierten sich die Pläne von Daniel und Sidonia S., die vorhaben, im Januar 2022 als Familie nach Macenta auszureisen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit wird im Bereich der Zusammenarbeit mit unserer Partnerkirche sein – daneben werden sie die Begleitung des CHRS im medizinischen wie auch im praktischen Sinn erleichtern.

Daniel und Sidonia mit ihren Kindern

Vielen Dank euch allen für euer Interesse und eure tatkräftige Unterstützung – wir sind auch weiterhin darauf angewiesen!
David Leuenberger, Teilzeit-Projektleitung von der Schweiz aus

SAM global
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