Guinea

Chance für ein selbständiges Leben

4.3.2022
|
5
Min.
Drei guineische Frauen beim Kochunterricht

Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir hier in Conakry auf dem Areal des Gästehauses mit unserer Hauswirtschaftsschule gestartet. Nun fand am 1. Februar bereits die zweite Diplomfeier statt, an welcher sechs Frauen ihre Diplome erhielten.

Der zweite Kurs startete am 7. September 2021, nur gerade zwei Tage nach dem Militärputsch. Damals haben wir nicht daran geglaubt, dass dann bereits wieder Ruhe herrschen und das Leben relativ normal weitergehen würde. Wir wagten es, dieses Mal mit acht Frauen zu starten, was eigentlich die Kapazität der Räumlichkeiten sprengte. Aber wir wollten keiner Frau eine Absage erteilen, nur weil wir zu wenig Platz hatten. So rückten wir die Stühle noch etwas näher zusammen und stellten die Klimaanlage, die wir zum Glück haben, etwas tiefer. Wieder waren sechs verschiedene Ethnien vertreten. Mit dem zweiten Kurs begann auch A., eine Absolventin des ersten Kurses, als Assistentin bei uns zu arbeiten. Dies hat sich als sehr wertvoll erwiesen: Sie kann das Wissen noch mit anderen Worten und in einer der Kultur angepassten Weise vermitteln, mit den Frauen repetieren und ihnen praktische Hilfestellungen geben. Eine Schülerin brachte meistens ihr Baby mit, das dann während der praktischen Arbeiten oft auf dem Arm von A. war.

Von der Schülerin zur Unterrichtsassistentin

Ausbildung erfolgt teilweise berufsbegleitend

Bereits zu Beginn hatten wir wieder mehrere Anfragen von Arbeitgeberinnen, ob wir nicht Frauen hätten, die sie als Haushalthilfe engagieren könnten. Es hat sich bestätigt, dass ausgebildete Hauswirtschafterinnen hier in Conakry gefragt sind. So konnten zwei der neuen Schülerinnen von Beginn weg parallel zur Schule eine Arbeitsstelle antreten – die Arbeitgeberinnen waren bereit, sie jeweils an den Schulvormittagen freizustellen.

Kampf um Eigenständigkeit

Doch neben vielen positiven Erlebnissen mit dieser zweiten Klasse gibt es auch einige schwierige Geschichten und Schicksale, die uns berühren: Da ist beispielsweise F., eine starke Frau. Sie ist Mutter von fünf Kindern. Ihr Mann hat sich von ihr getrennt, weil sie ihre Mädchen nicht beschneiden lassen wollte. Sie darf ihre Kinder erst wieder sehen, wenn sie genügend Geld verdient, um für sie sorgen zu können. F. lebt in einer Vorstadt von Conakry und hat den grossen Willen, selbständig zu werden. So kam sie jetzt fünf Monate lang zweimal pro Woche in die Schule. Dazu musste sie jeweils um 5.15 Uhr morgens mit dem Taxi losfahren, damit sie pünktlich um 8.30 Uhr in der Schule war. Sie schaffte dies, ohne einmal zu fehlen und zum grössten Teil ohne Verspätungen!

Ein Kochherd zum Start eines Mikrobusiness

Für F. war es nicht so einfach, eine Stelle zu finden. Diese Frau hatte wirklich gar nichts mehr, alles war ihr genommen worden. So übernahmen wir das Schulgeld, die Fahrkosten sowie die Miete für ihre Wohnung. Schon bald spürten wir, dass sie das Zeug zur Unternehmerin hat. Sie kam dann selber mit der Idee, ein kleines Geschäft zu starten. So leisteten wir Starthilfe und besorgten einen Kochherd, Küchenutensilien, einen Arbeitstisch und einen Anfangsbestand von Lebensmitteln. Nun produziert sie Pizzas und verschiedene Backwaren und Kuchen, die sie bereits an vier Detailverkäuferinnen liefern kann. Dies wird aber bestenfalls ein Nebenerwerb sein – das Leben hier ist teuer geworden: Miete, Essen und Schulgeld für fünf Kinder wird sie mit diesem Geschäft nicht finanzieren können. So haben wir weiter gehofft und dafür gebetet, eine Stelle für sie zu finden. Kurz vor der Diplomfeier erhielten wir die Zusage einer amerikanischen Familie, die in der gleichen Vorstadt wie F. wohnt, dass sie sie ab Anfang Februar engagieren wollen. Wir freuen uns so sehr mit ihr und hoffen ganz fest, dass ihr Herzenswunsch, ihre Kinder wieder bei sich zu haben, bald in Erfüllung gehen darf.

Nötige Grundvoraussetzungen schaffen

Jede einzelne Schülerin hat eine eigene, spezielle Geschichte. Mit den Spenden und den Schulgeldgeschenken aus dem SAM global-Geschenkkatalog bezahlen wir neben den Ausgaben für die Schule auch Unterhalt, Essen und Transportkosten für die Schülerinnen sowie Schulgelder für ihre Kinder und Starthilfen für ein eigenes Mikrobusiness. Oft haben wir auch Schülerinnen, die keine Wohnung haben, weil sie von der Familie oder vom Ehemann verstossen wurden. So haben wir zurzeit vorübergehend zwei Frauen in unserem früheren Standort Kakimbo einquartiert. Wir träumen von einem Foyer, also einem Wohnheim für die Frauen, wo sie lernen, zusammen zu leben und zu arbeiten.

Pastafabrikation (Nudeln, Lasagne)

Noch ein Wort zu …

In den letzten News haben wir berichtet, dass A. gerne mit uns in die Kirche gehen wollte, obwohl sie praktizierende Muslimin war. Neben der Assistenzstelle bei uns fanden wir noch eine Teilzeitstelle für sie bei einer amerikanischen Familie. Dort bekam sie eine Bibel geschenkt. Sie begann darin zu lesen und sich für den christlichen Glauben zu interessieren. Gleichzeitig kam sie in Kontakt mit einem einheimischen Pastor einer Kirche im Quartier. Und wir liehen ihr ab und zu Bücher zu Glaubensthemen aus … Kurz vor Weihnachten rief sie uns dann plötzlich an und informierte uns, dass sie sich an Heiligabend taufen lassen wollte. Sie betonte stark, dass es eine wohlüberlegte Entscheidung sei und dass niemand sie dazu gedrängt habe. So merken wir an diesem Beispiel, dass es oft verschiedene Personen auf verschiedene Weise braucht, damit uns anvertraute Menschen Jesus kennen lernen und ihn annehmen können. Dies ist der Anfang einer neuen Geschichte und wir wollen A. weiter begleiten und fördern.

Cornelia & Peter F.

SAM global
Beitrag drucken