Guinea

Veränderungen – eine Chance?!

8.4.2022
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5
Min.
Zwei guineische Männer markieren in einer Werkstatt ein Holzbrett

Viele Menschen scheuen grosse Veränderungen, denn diese können ein Gefühl der Unsicherheit auslösen und oft grösseren Stress bewirken. Mit dieser unangenehmen Situation sehen auch wir uns konfrontiert.
Es hat sich so ergeben, dass im Sommer 2022 alle Teammitglieder bis auf Daniela definitiv in die Schweiz zurückkehren werden. Da wir bis Ende vergangenen Jahres keine neuen Langzeitmitarbeitenden für unser Projekt in ActionVIVRE Nord gefunden haben, sehen wir uns gezwungen, die einzelnen Projekte sehr schnell in einheimische Hände zu übergeben. Das ist ein Szenario, das wir uns in diesem Moment noch nicht gewünscht haben und welches massive Veränderungen für die Arbeit vor Ort bedeutet.

Aber jede Veränderung kann auch eine Chance sein. Eine Chance, neue Wege zu wagen und unentdecktes Potenzial ans Licht zu bringen. Seit einigen Monaten beschäftigen wir uns intensiv damit, wie es ab kommendem Sommer weitergehen kann. Die momentane Situation sieht so aus: Es war relativ schnell klar, dass Daniela nicht über längere Zeit alleine vor Ort bleiben kann. Sie möchte jedoch weiterhin in Guinea leben und arbeiten. So schliesst sie sich dem Projekt AV Ost an. Dort kann sie weiterhin in einem Team bei der Förderung von Lehrpersonen mitarbeiten. Ausserdem wird sie in regelmässigen Abständen das Projekt AV Nord besuchen, um auch dort eine gewisse Betreuung zu gewährleisten.

Weitergabe von biblischen Geschichten

Bewährungsprobe für die Schule von ActionVIVRE

Die Schulleitung hat sich, trotz des Abgangs der Expats, dazu entschieden, vor Ort zu bleiben und die Schule weiterzuführen. Es wird für sie eine Bewährungsprobe sein. Viele Eltern haben ihre Kinder in unsere Privatschule geschickt, im Wissen, dass wir «Weissen» ein Auge auf die Qualität, den Betrieb und die Finanzen der Schule haben. Nun muss die Schulleitung beweisen, dass sie fähig ist, den gesamten Schulbetrieb auch ohne «Weisse» auf gleichem Niveau weiterführen zu können. Daniela wird die Schule stichprobenartig beurteilen und allfällige Korrekturen mit der Schulleitung ausarbeiten. Auch wird sie die Zeit, die sie jeweils vor Ort sein wird, nutzen, um die Lehrpersonen und Direktoren zu motivieren und weiterzubilden.

Morgensport

Engagement mit Herzblut

Auch im Kindergarten sind wir äusserst froh, dass der Direktor motiviert ist, die Arbeit mit und für die Kinder weiterzuführen. Seit Jahren engagiert er sich mit viel Herzblut für die Kinder und möchte ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen für ihre anstehende Schulbildung bieten. Die letzten Jahre durften wir ein Haus für den Kindergarten nutzen, doch leider möchte der Besitzer dieses nun an Goldgräber vermieten. Deshalb benötigen wir so schnell wie möglich eine andere Örtlichkeit für den Kindergarten. Der Direktor ist daran, einen solchen Ort in passender Umgebung zu suchen. Der Kindergarten im Dorf wurde nach einigen Hürden wieder aufgenommen und läuft mehrheitlich selbstständig. In einem weiteren Quartier soll sogar ein neuer Kindergarten entstehen.

In der Bibliothek

Es geht weiter – aber anders

In der Berufsschule bestehen noch die meisten Fragezeichen. Aus unterschiedlichen Gründen haben wir es noch nicht geschafft, ein unabhängiges einheimisches Leitungsgremium aufzubauen. Ohne Expats wird die Berufsschule in ihrer bisherigen Form nicht weiter funktionieren können. Das ist schade, denn zu sehen, dass sich unsere Lernenden nicht nur Theorie angeeignet haben, sondern auch in der Praxis anpacken können, hat uns einmal mehr bestätigt, dass das duale System Sinn macht. Weil sich der Fachkundeunterricht auf einen Vormittag in der Woche beschränkt, ist es nicht möglich, einer Lehrkraft einen Lohn für eine 100%-Stelle auszuzahlen. Deshalb haben wir uns entschieden, die Berufsschule in eine Werkstatt umzuwandeln (ausser es würden in letzter Minute noch ein oder zwei fähige Lehrmeister auftauchen). So können weiterhin Jugendliche in einem kleinen Rahmen ausgebildet werden und gleichzeitig ist eine finanzielle Unabhängigkeit möglich. Ein weiterer Vorteil ist, dass die gute Infrastruktur zu Gunsten der Stadt aufrechterhalten werden kann. Insbesondere in der Schreinerei haben wir einen grossen Zulauf von externen Schreinern registriert, welche beispielsweise ihr Holz bei uns hobeln lassen. Nun sind wir auf der Suche nach einem geeigneten Werkstattleiter, welcher die Infrastruktur verwalten kann und gleichzeitig ein Anliegen für die Jugend hat. Wir beten, dass Gott uns die richtige Person schenkt.

Kurs in Elektrotechnik an der Berufsschule CAMAV

Schreinerarbeiten

Am Vertrauen festhalten und mutig vorangehen

Wir sind sehr dankbar, dass einheimische Mitarbeitende für Schulung und Ausbildung vorbereitet und eingesetzt werden können. Und ganz besonders freut es uns, dass unter ihnen auch Menschen sind, die es auf dem Herzen haben, die frohe Botschaft von Jesus Christus allen weiterzugeben, die sie noch nicht gehört haben. Es ist jeden Tag neu eine Herausforderung, mit der Unsicherheit, wie es in ein paar Monaten weitergehen wird, umzugehen. Umso dankbarer sind wir für die Gewissheit, dass Gott die Wege kennt, welche wir beschreiten werden. In einigen Punkten werden wir gute Entscheidungen treffen, in anderen würde man es rückblickend vielleicht anders machen. Aber Paul Claudel hat einmal treffend geschrieben: «Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.» Mit diesem Wissen gehen wir mutig voran und versuchen die Projekte bestmöglich zu übergeben, um auch langfristig der Bevölkerung von AV Nord dienen zu können.

Herzlichen Dank für euer Interesse, euer Mittragen und eure Unterstützung.
Tobias, Projektleiter AV Nord

SAM global
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