Tschad

Gehorsam und Respekt werden grossgeschrieben

15.4.2021
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Min.
Künftige Primarschullehrkräfte posieren für das Foto.

Anfang letzten Jahres hatte ich die Gelegenheit, ca. 100 Lektionen im Tschad mitzuerleben. Nun konnte ich im Februar und März dieses Jahres am Lehrerseminar der Evangelischen Kirche 75 Lektionen unterrichten und zwei Wochen lang die Studierenden in ihren Praktika begleitet.

Ein paar meiner Eindrücke: Wegen einer durchschnittlichen Klassengrösse von 55 Kindern und aufgrund meist prekärer enger Platzverhältnisse wird gegenseitiger Respekt erwartet und teilweise auch mit Körperstrafen eingefordert. Mit meinen europäischen Augen betrachtet habe ich sehr wenig Disziplinlosigkeiten gesehen – in der Schweiz kaum vorstellbar. Die Unterrichtenden werden als Autoritätspersonen respektiert. Offener Streit unter den Kindern und Jugendlichen ist selten. Ich habe mich gefragt, wie die Qualität der Schulen durch eine etwas kritischere Grundhaltung und Reflexionsfähigkeit aller Beteiligten verbessert werden könnte, ohne den oben beschriebenen Respekt zu gefährden.

Andreas G. beim Unterricht

Die Herausforderungen in der Grundschulbildung sind riesig

Die PASEC-Studie von 2019, die in 13 frankophonen Ländern Afrikas durchgeführt wurde, zeigte die äussert schlechten Ergebnisse der Primarschüler im Tschad. In Mathematik landete der Tschad mit Abstand auf dem letzten Platz. Die Gründe sind vielfältig: Einer ist sicher der schlechte Ausbildungsstand der Lehrpersonen. Ich habe fachlich wie auch methodisch viel Unbeholfenheit festgestellt. Viele unterrichten noch so, wie sie selber auch unterrichtet wurden: Es wird auswendig gelernt, ohne wirklich zu verstehen oder es erklären zu können. Die Klassengrössen und die schlechten baulichen Verhältnisse der Schulzimmer sind weitere Gründe. Die Zahl der Kinder pro Klasse nimmt von der ersten bis zur sechsten Klasse deutlich ab. Der Grund dafür ist, dass die schwächeren Kinder dem Unterricht nicht folgen können und folglich nicht mehr in die Schule geschickt werden. Gutes Management des Unterrichts wie zum Beispiel das Bilden von heterogenen Lerngruppen mit Leitung durch Mitschüler könnte da etwas Abhilfe schaffen. Nebst einer liebe- und verständnisvollen Lehrperson braucht es konkrete methodische Alternativen zum bestehen System.
Die monatelangen Schulschliessungen wegen Covid-19 und die vielen Streiks der Unterrichtenden haben die Situation natürlich noch verschlechtert und das wird sich vor allem in den öffentlichen Schulen negativ auswirken.
Meine Studierenden habe ich unterschiedlich lern- und arbeitswillig erlebt. Einzelne wollen wirklich eine bessere Schule gestalten. Bei anderen hatte ich aber leider (noch) nicht den Eindruck, dass sie sich für neue Unterrichtsmethoden interessieren. Auch die Mängel in ihrem fachlichen Können werden sie kaum ändern wollen oder können.

Durchschnittlich 55 Kinder pro Klasse - keine Tische, keine Bücher, keine Fenster

«Ihr habt eine Zukunft und eine Hoffnung!»

Aber die meisten Lehrpersonen wollen Jesus nachfolgen und die Bibel ist ihre oberste Autorität. Die biblischen Geschichten sind eine Grundlage, auf der sie für charakterliche Bildung und soziale Verantwortung offen sind. Diese Haltung ist eine Chance und der Grund, weshalb ich ihnen den Zuspruch Gottes aus Jer. 29,11 mitgegeben habe: «Ihr habt eine Zukunft und eine Hoffnung!» Am Segen Gottes ist alles gelegen. Ich bete für eine gute Weiterentwicklung des Lehrerseminars: Der
angestrebte Neubau des Gebäudes, aber vor allem für die Qualität des Unterrichts.
Andreas G., Facheinsatz für die Weiterbildung von Lehrpersonen

Selbst positive Neuerungen brauchen eine Gewöhnungszeit

Im Gottesdienst wird der Predigttext gewöhnlich auf Französisch gelesen, obwohl die Mehrheit besser Tschadarabisch versteht. So habe ich angeboten, mit Interessierten das Neue Testament in Tschadarabisch zu lesen, das es nun erfreulicherweise gibt. Wir haben an Weihnachten und auch an Ostern vorgelesen. Aber bis jetzt trauen sich die Ältesten nicht, den Text im Gottesdienst in Tschadarabisch zu lesen. Es braucht Geduld ...
Helen, Gesundheitsarbeit

Das NT in Tschadarabisch lesen

Freude über ein gerettetes Leben

In den ProRADJA’ News vom letzten Juni haben wir über Mahamat berichtet, einen anderthalbjährigen Jungen, um den wir uns intensiv gekümmert und für ihn gebetet haben. Es ging ihm besser, dann leider aber auch wieder schlechter. Kürzlich jedoch, mehr als ein Jahr nach seiner ersten Konsultation in der Klinik, war ich in der Nachbarschaft und dachte, ich schaue mal, wie es ihm geht ... An der Tür sah ich einen pausbäckigen kleinen Jungen mit einem grossen Stück Wassermelone in der Hand. Als ich eintrat, begrüsste mich die Großmutter freudig: «Schau dir Mahamat an – er ist ein Wunder! Er isst und ist ein wunderschöner Junge geworden.» Voller Dankbarkeit und Freude kehrte ich nach Hause zurück, ermutigt, die Früchte unserer Arbeit und Gottes Eingreifen zu sehen!
Agathe B., Medizinische Arbeit, Förderung von Gemeinden

Mahamat ist gesund

Neue Teamsituation im ProRADJA‘

Vom 27.1.-11.2. konnte ich trotz erschwerter Umstände in den Tschad reisen. Nebst den Besuchen bei den Projektpartnern stand das Kennenlernen der neuen Teammitglieder im Zentrum. Diese sind: Sérach N., die Frau von Florent, welche sich um die Finanzen und die Administration kümmert, Claire N., die wir dem Netzwerk der christlichen Schulen (CNEET) zur Verfügung stellen und Elodie M., die sich mit Agathe im Gesundheitsposten und in der Kontaktarbeit investiert. Ismaël H., der gerne Automechaniker ausbilden möchte, musste leider in den Sudan reisen, um seinen Bruder zu beerdigen. Insgesamt ist dies eine sehr ermutigende Entwicklung. Wir suchen aber dringend eine Person, die Florent in der Leitung des vergrösserten Teams unterstützen könnte.
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher

Das ProRADJA' Team - es fehlt Ismaël H.

SAM global
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