Guinea

Berufsausbildung schafft Perspektiven

16.6.2021
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5
Min.
Emanuel arbeitet mit zwei Lernenden in der Werkstatt.

Die Regenzeit hat begonnen, die Natur wächst üppig und die Menschen atmen durch. Auch die Temperaturen sind jetzt um angenehme 25–30 Grad. In Kissidougou ist Corona schon lange kein Thema mehr, das Leben geht seinen normalen Lauf. Nur ist alles teurer geworden.

Als Team hatten wir die letzten Monate mit drei Kurzzeitern eine schöne Verstärkung. Benjamin und Sämi verliessen uns im Mai. Nun sind Cédric und Gaëlle Ch. mit ihren Kindern für einen Heimataufenthalt in die Schweiz gereist und mit ihnen auch Charline, die Lernhelferin. So ist es ruhiger geworden in unserem Hof. Doch unsere einheimischen Mitarbeitenden sind mit uns vor Ort. Wir arbeiten in unseren verschiedenen Bereichen, in der Kirche, in den verschiedenen Ausbildungen in der Bibelschule und der Mechanik sowie der natürlichen Medizin.

Mit Ausbildung der Arbeitslosigkeit entgegensteuern

Wir legen in diesen News den Schwerpunkt auf die Berufsausbildung. Verantwortlich dafür ist Emanuel. Nach wie vor gehen viele Kinder nicht zur Schule, oder nur ein paar wenige Jahre. Die Schulbildung ist schwach, es gibt kaum ein Schuljahr, das nicht grössere, zum Teil über Monate lange Unterrichtsausfälle kennt. Die Arbeitslosigkeit ist riesig. Die meisten Menschen schlagen sich mit etwas Landwirtschaft oder kleinen Geschäften durch. Viele Jugendliche sind ziellos, trinken Alkohol oder versuchen ihr Glück beim Goldschürfen. Diesem riesigen Problem möchten wir mit der Ausbildung etwas entgegensetzen. Manchmal erscheint es uns nur ein Tropfen auf den heissen Stein, aber manchmal sind wir auch sehr ermutigt zu sehen, wie sich einzelne Leben positiv verändern.

Lehrer und Lernende Mechanik

Theorieunterricht und praktische Anleitung

Seit Frühling 2017 ist die Werkstatt fertiggestellt, in der wir Auto- und Landmaschinenmechaniker ausbilden. Dieses Jahr haben 15 neue Lernende die Ausbildung begonnen. Es ist eine sehr
motivierte Gruppe und verschiedene sind wirklich begabt. Das ist überaus erfreulich. Maître Abel ist seit vier Jahren als Ausbildner und Werkstattchef mit dabei. Er meint: «Ich mag dieses duale Ausbildungssystem aus der Schweiz sehr, das wir sonst hier nicht kennen. Dass nicht nur Theorie vermittelt wird, sondern diese auch in die Praxis umgesetzt und geübt wird, erachte ich als sehr wertvoll. Die grosse Herausforderung für uns ist es, das Wissen zu vermitteln, da unsere Lernenden unterschiedliche Schulniveaus haben. Da müssen wir manchmal sehr kreativ sein.»
Zwei Lernende berichten nachfolgend, was die Ausbildung für sie bedeutet.

Endlich den Platz gefunden

François erzählt: «Als ich 2007 mein 7. Schuljahr beendet hatte, begann ich eine Ausbildung zum Automechaniker in der Stadt. Doch ich verstand mich nicht mit meinem Lehrmeister, denn wenn ich etwas wissen wollte, erklärte er es mir nicht. Er fand, ich müsse ihm zudienen und einfach arbeiten. So konnte ich nicht viel lernen, brach die Ausbildung ab und begann meinem Bruder in seiner Apotheke zu helfen. Nebenbei ging ich in die Schule. 2018 wollte ich die Prüfung zum 10. Schuljahr machen. Aber meine Familie konnte mich nicht unterstützen und so musste ich die Schule abbrechen. Dann arbeitete ich ein Jahr in einer Goldmine, doch ich hatte keinen Erfolg. So kam ich wieder nach Kissodougou zurück, und nun habe ich diese Ausbildung zum Automechaniker angefangen. Hier habe ich gute Lehrmeister, die viel erklären, und auch die Lektionen in Lebenskunde helfen mir, im persönlichen Leben voranzukommen.»


Emmanuel hat ein klares Ziel: «Ich ging gerne zur Schule, doch obwohl ich viel lernte, schaffte ich die Prüfung fürs 11. Schuljahr nicht – ich habe es dreimal probiert. So hat man mir diese Ausbildung vorgeschlagen. Meine Familie ist stolz, dass ich hier bin. Ich möchte Traktorchauffeur werden und lernen, wie man mit dem Traktor pflügt. Ich möchte einmal für meine Familie sorgen können und will nicht auf der Strasse landen.

Erfolgreicher Start ins Erwerbsleben

Wir versuchen, die jungen Leute, welche die Ausbildung abgeschlossen haben, beim Übergang in den Berufsalltag zu begleiten und ihnen, wenn nötig und möglich, eine Starthilfe zu geben. Einer von ihnen ist Roger, der seine Ausbildung im April 2021 abgeschlossen hat: «Mein Wunsch war es von Anfang an, Chauffeur zu werden. Nach der Ausbildung wagte ich den Schritt in sie Selbstständigkeit. Ich habe eine Starthilfe in der Form eines kleinen Autos erhalten, das ich zu einem sehr guten Preis bei Emanuel kaufen konnte. Der Anfang war nicht einfach, doch nun konnte ich schon einige Male Transporte nach Conakry machen. Mit dem Geld, das ich verdiene, kann ich für meine kleine Familie sorgen, und ich möchte so schnell als möglich ein grösseres Auto kaufen.»

Eine ganzheitliche Bildung und Förderung

Seit dem Anfang dieser Arbeit war die Idee gewesen, die Ausbildung selbsttragend zu machen. So versuchen wir, mit der Praxisausbildung der Lernenden auch Geld zu verdienen, indem wir
Aufträge für Kunden in der Landwirtschaft und mit Autoreparaturen durchführen. Es zeichnet sich jedoch ab, dass wir das Ziel nicht ganz erreichen. Trotzdem ist es für die Lernenden eine gute Sache zu lernen, wie man Kostenvoranschläge macht, die Zeit einteilt, mit Kunden umgeht, Geld verwaltet und vieles mehr.

Auch die persönliche Entwicklung der jungen Menschen ist uns ein grosses Anliegen. Wir sprechen mit ihnen immer wieder über Fragen des Lebens und Glaubens und schneiden dabei auch
heikle Themen an. Kürzlich schauten wir gemeinsam einen Film über die Beschneidung an. Alle waren sehr betroffen und wollen sich engagieren, dass dies in ihrer Familie nicht (mehr) geschieht. Es lässt sich natürlich nicht messen, was die vermittelten christlichen Werte bewirken, aber wir sehen in ihrem Verhalten, dass es sie prägt und verändert. Dafür sind wir sehr dankbar.

Danke für euer Interesse und eure Unterstützung.

Emanuel und Renate W.
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