Stell dir einen isolierten Ort vor, den du nur durch langes und umständliches Reisen erreichst. Und einen Ort, wo du dich verstecken würdest, wenn es zu einem neuen Weltkrieg käme. Richtig, wir würden uns wohl beide an den Flüssen im Amazonasgebiet wiederfinden. Dort leben Menschen, die Ribeirinhos, sehr abgeschieden und weit weg von den grossen Städten und den Menschenmassen Brasiliens. Und trotzdem findet man dort Coca-Cola, christliche Gemeinden und – Covid-19. Ja, die Pandemie reicht bis zu den hintersten Flusswindungen und stellt das Projekt ProRIBEIRINHO vor neue Herausforderungen.
Bereits in Portel ist es ein Risiko, an Covid-19 zu erkranken, zumal das Spital nicht für solche Patienten ausgerüstet ist. Und in Belém sind die Spitäler überfüllt. Aber man stelle sich vor, dass jemand irgendwo an den Flüssen schwer erkrankt … Die Ansteckungszahlen unter den Flussbewohnern sind immer noch hoch, aber von Todesfällen haben wir als Team nichts mehr gehört. Wir können nur beten im Glauben, dass Gott alles unter Kontrolle hat.
Am Ajará-Fluss wurden an einem Tag 15 Leute angesteckt, darunter auch die Frau von Antonio, unserem ehemaligen Bootsführer. Die Kranken reisen erst in die Stadt, wenn die Symptome schwerer werden. Sie haben Angst vor der Hospitalisierung und versuchen darum, Covid-19 zu Hause mit ihren pflanzlichen Heilmitteln durchzustehen.
Lockdown mit schwerwiegenden Konsequenzen
In der Stadt Portel sowie an den Flüssen sind die Schulen geschlossen, und das schon bald drei komplette Semester lang. Auch die Schule, die im Zentrum vom ProRIBEIRINHO eingemietet ist, ist geschlossen. Einzig die Wächter werden weiterhin von der Stadtverwaltung bezahlt. Man stelle sich vor, wie die Kinder und Teenager ohne Schulbesuch mehr und mehr auf der Strasse «verwahrlosen», Dummheiten aushecken und sich in Unmoral und Kriminalität verstricken. Die grossen Schiffe durften nur noch Waren transportieren. Nach Portel konnte man nicht mehr reisen, so leider auch Bea Ritzmann nicht, die von SAM global dem Team wieder einmal einen Besuch abstatten wollte.
Verschiedene Aktivitäten wurden eingeschränkt oder gar verunmöglicht, was auch die Arbeit vom ProRIBEIRINHO beeinflusste. So waren auch Gottesdienste eine Zeitlang untersagt. Familienväter, die offiziell einen Schülerfahrdienst mit ihrem Boot hatten, verloren ihr Einkommen, ebenso die Familienmütter, die für die Schulhausreinigung oder für das Kochen in der Schule (dort bekommen die Kinder jeweils eine Mahlzeit) angestellt waren. Zwar hat die Regierung den bedürftigsten Familien eine finanzielle Unterstützung gegeben, diese reichte aber wahrhaftig nicht weit. Wohl dem, der noch einige landwirtschaftliche Erzeugnisse hat.
Das Team vom ProRIBEIRINHO konnte den Familien, die am meisten in Not geraten waren, mit Lebensmittelpaketen helfen.
Nahrungsmittel und medizinische Versorgung
Die Hilfe kam zum Teil aus der Schweiz, zum Teil aber auch von zwei Unternehmern aus Portel, die grosszügig Lebensmittel spendeten, welche vom Team an den Flüssen verteilt werden konnten. Es ist erfreulich festzustellen, dass das ProRIBEIRINHO einen guten Ruf hat und das Vertrauen der Bevölkerung geniesst. Das Team verteilte auch ein Ausmalheft von SAM global für Kinder, welches in Brasilien hergestellt wurde. Es dient der Prävention von Covid-19 und bringt den Kindern anhand von lustigen Tierzeichnungen wichtige Regeln wie Hygienemassnahmen oder das Abstandhalten bei.
Zusammen mit Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes der Stadt Portel konnte eine Reise an die Flüsse durchgeführt werden. Dabei wurden den Kindern die üblichen Impfungen verabreicht. Das Team hatte sogar Corona-Impfstoff dabei, der für fünf bestimmte Personen vorgesehen war, aber noch für mehrere reichte. Weil aber der Impfstoff innerhalb von acht Stunden nach Öffnung der Ampullen verabreicht werden muss, konnten diese unterwegs wegen der Distanzen von einem kleinen Weiler zum andern nicht geöffnet werden. So wurden nur zehn Leute geimpft. Ein weiterer Grund dafür ist, dass sich nicht alle impfen lassen konnten (wegen Erkältungen etc.) oder nicht wollten. Leider gibt es scheinbar Leute, die den Ribeirinhos sagen, die Impfung sei vom Teufel und man könne nachher sogar in ein Krokodil verwandelt werden …
Es wurde jedoch aufgrund der berichteten Symptome festgestellt, dass zahlreiche Flussbewohner die Krankheit wohl bereits durchgestanden haben.
Im Februar hat ein Ärzteteam aus São Paulo das ProRIBEIRINHO-Team an die Flüsse begleitet. Sie waren sehr ergriffen von den grossen Bedürfnissen und den Möglichkeiten und planen einen weiteren Einsatz für den September dieses Jahres.
Dankbar für die Verstärkung
Pastor Jean Paulo verstärkt mit seiner Frau Susana und den Kindern das Team und hat die Verantwortung für die Arbeit am Camarapí-Fluss übernommen, was früher die Aufgabe von Pastor Carlos war. Sie kommen aus einer Kleinstadt an einem Seitenarm des Amazonas und sind sich an dieses Leben gewöhnt. Auch waren sie früher schon an einem anderen Ort in einer ähnlichen Arbeit tätig. Das Ehepaar hat fünf Kinder, aber die älteste Tochter ist bereits verheiratet und fehlt deshalb auf dem Foto.
Ausserdem sind Pastor Samuel und seine Frau Luisa, die früher schon einmal im Team mitgearbeitet haben, wieder zurück in Portel und betreuen die Gemeinde als Pastorenehepaar. Sie unterstützen das Projekt nach besten Kräften und begleiten die Teams, wenn immer möglich, auch auf den Reisen.
Sponsoren gesucht
Das ProRIBEIRINHO-Team kann nur dank Spenden die wertvolle Arbeit an den Flüssen leisten. Am 14. August findet das SAMfest in Winterthur statt, auch dieses Jahr wieder mit einem Sponsorenlauf. Josia Aeberhard wird als offizieller Läufer für das Projekt ProRIBEIRINHO Runden drehen. Du kannst ihn mit deinem Einsatz ermutigen oder sogar selbst laufen und Sponsoren für deine Runden suchen. Beides ist herzlich willkommen und nötig. (https://www.sam-global.org/anmeldung/sponsern).
Herzlichen Dank!
Beat Roggensinger und Daniel de Souza da Silva, Projektleiter