Viele erwarten eine übernatürliche Berufung, wie sie beispielsweise Paulus erlebt hat. Aber es gibt ganz viele verschiedene Arten von Berufung! Silas zum Beispiel wurde berufen, indem Paulus zu ihm sagte: «Komm mit!» – und er ging mit. Er hat einfach auf ein vorhandenes Bedürfnis reagiert. Manchmal suchen wir zu weit, denn die Bedürfnisse sind da – und es wäre toll, wenn mehr Leute wie Silas einfach sagen würden: «Ich bin da, ich bin bereit zu dienen, wenn ich gebraucht werde.»
Ja: gerade der technische oder medizinische Bereich entwickelt sich in der Schweiz schnell und da ist man nach ein paar Jahren Einsatz nicht mehr auf dem neusten Stand. Dafür gewinnt man in anderen Bereichen – zum Beispiel in der interkulturellen Kompetenz, was in der multikulturellen Schweiz einen hohen Stellenwert hat. Zudem hat man im Einsatz oft die Möglichkeit, als Leiterin oder Leiter zu wachsen und Leitungsaufgaben zu übernehmen, auf die man in der Schweiz viel länger warten müsste. Man hat mehr Raum, kreativ zu sein, sich zu entwickeln, gross zu denken, Visionen und Ideen umzusetzen – ich durfte in Guinea beispielsweise Gaben bei mir entdecken, deren ich mir nicht bewusst war. In der Schweiz ist unsere Aufgabe enger eingegrenzt, viele arbeiten eher als Spezialisten in einem Bereich und so kommen vielleicht nicht alle unsere Gaben und Fähigkeiten kommen zum Tragen.
Viele denken immer noch, interkulturelle Mitarbeitende seien Übermenschen. In der Schweiz haben wir eine überdurchschnittliche Ausbildung. Jede Person, die eine Lehre oder sonst eine Ausbildung in der Schweiz gemacht hat, hat in unseren Einsatzländern schon enorm viel zu geben. Da unterschätzen wir uns häufig. Die allerwichtigsten Voraussetzungen für einen Einsatz sind Flexibilität, die Bereitschaft, eine Fremdsprache zu lernen und der Wunsch, zu dienen, sein Know-how weiterzugeben und Gottes Liebe zu teilen.
Heute gehen die meisten ja nicht mehr jahrzehntelang in den Einsatz, sondern für ein paar Jahre. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, diese Zeit zu investieren und dafür etwas später zu heiraten – denn ein solcher Einsatz ist ein Gewinn fürs ganze Leben! Ja, es besteht das Risiko, keinen Partner zu finden, aber das gibt es auch in Europa. Zudem kommt es auch vor, dass sich Paare im Ausland kennenlernen – und dann auch gleich jemanden an ihrer Seite haben, der ihre Vision teilt und versteht, was sie erlebt haben.
Die Zeiten, in denen Kinder in ein Internat gegeben werden mussten, sind vorbei. Heute erhalten die Kinder mit Fernschulprogrammen und Kurzzeitmitarbeitenden, die sich um den Unterricht kümmern, gute Betreuung vor Ort oder können eine internationale Schule in der Nähe besuchen – es ist uns wichtig, dass wir da mit den Familien eine gute Lösung finden. Zudem profitieren auch Kinder von einem Einsatz: Sie wachsen (mindestens) zweisprachig auf und erwerben interkulturelle Kompetenz.
Kein Land gibt für die Versicherung so viel aus wie die Schweiz. Wir lieben es, uns abzusichern. Und ja: Wenn wir die Schweiz verlassen, reduziert sich die Sicherheit in einem gewissen Sinn. Aber: Bei reduzierter Sicherheit haben wir auch die Chance, in eine grössere Abhängigkeit von Gott zu kommen und ihn stärker zu erleben. Ich erlebte in Guinea, einem der damals unsichersten Länder der Welt, in dem es praktisch keine Ausländer gab, eine der reichsten Zeiten meines Lebens. Ich durfte erfahren, dass wir es riskieren können, Gott zu vertrauen, dass er uns auch in einem unsicheren Land bewahren und mit uns etwas bewirken kann. No risk, no mission!
An vielen Orten wird die Arbeit zunehmend an gut ausgebildete Einheimische übergeben – und das ist super so, denn nur dadurch kann Nachhaltigkeit und Langfristigkeit sichergestellt werden! Trotzdem braucht es nach wie vor dringend Mitarbeitende aus Europa. Wieso?
Jürg Pfister, Leiter SAM global
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