Guinea

Leben und Glauben teilen

1.12.2021
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5
Min.
Unter einem weissen Tuch versteckt liegt die Braut, den Kopf auf dem Schoss einer Frau.

Liebe Freunde von ActionVIVRE Süd

Alle Projekte sind wieder angelaufen. Wir freuen uns, dass auch alle Kurzzeitmitarbeitenden ihr Visum erhalten haben und unser Team komplett ist.

Der offizielle Schulstart ist in Guinea immer am 3. Oktober vorgesehen. Leider verspätet er sich aus verschiedenen Gründen fast jedes Jahr. Dies hat auch Auswirkungen auf einige unserer Projekte: Wir müssen den Anfang der Kurse im Studiencenter und des Kindergartens dem Schulstart anpassen und brauchen jedes Mal Geduld, bis wir dann endlich starten können. Die Handwerkerschule macht nur im Sommer eine kurze Pause, wenn die Regenzeit am stärksten ist, und arbeitet sonst das ganze Jahr durch.

Aktuelles AV Süd Team am SAMfest 2021

Leben teilen – Beziehungen pflegen

I. ist ein ehemaliger Lernender und nun Angestellter an unserer Handwerkerschule. Er ist überzeugter Moslem, hat jedoch schon viel über unseren Glauben gehört. Ende Oktober durften wir als Expat-Team seine Hochzeit mit A. mitfeiern. Die Vorbereitungen der beiden Familien des Brautpaares liefen schon seit einiger Zeit, denn das Fest sollte zwei Tage dauern. Dies ist nicht immer der Fall und hängt von verschiedenen Faktoren und Wünschen der Familien und des Brautpaares ab. Hier wurde beschlossen, zuerst im Dorf der Braut ein sogenanntes «Vin d’honneur» abzuhalten. Das ist ein Fest, das meist nach der offiziellen religiösen oder zivilen Zeremonie stattfindet. Mit unseren beiden Autos, gefüllt mit über 20 Personen inklusive dem Brautpaar, nahmen wir die gut 30 Kilometer unter die Räder. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichten wir das Dorf der Braut, wo wir freudig empfangen wurden. Bei lauter Musik wurde gefeiert und getanzt. Wir als Expat-Team hatten dann noch die Ehre, die Familie der Braut zu grüssen, welche nicht am Fest teilnahm. Es wurde feines Essen aufgetischt: weisse Bohnen, Spaghetti, Poulet und Brot – ein wahres Festessen in Guinea. Und zum Schluss durften wir den schön dekorierten Hochzeitskuchen geniessen. Bei Einbruch der Dunkelheit machten wir uns zusammen mit dem Bräutigam auf den Heimweg in unsere Stadt.

Anschneiden der Hochzeitstorte

Die Feierlichkeiten nehmen (fast) kein Ende

Am nächsten Tag ging das Hochzeitsfest im Dorf des Bräutigams weiter. Gegen zehn Uhr morgens besprachen die Dorfältesten und weitere wichtige Personen, wer die Braut in ihrem Heimatdorf abholen soll. Gegen Mittag fuhren die ausgewählten Männer los. Im Dorf des Bräutigams wurde unterdessen fleissig gekocht. Aus den verschiedenen umliegenden Dörfern wurden Geschenke gebracht. Diese Leute mussten natürlich auch verköstigt werden. So zog es sich über den ganzen Tag hin.

Präsentation von Geschenken

Gegen 17 Uhr kam dann endlich die Braut. Ihre Ankunft wurde mit Musik und Tanz gefeiert. Sie war gänzlich verhüllt und der Bräutigam musste sich bei der Ankunft in seinem Zimmer verstecken, denn er durfte die Braut nicht sehen. So will es der Brauch. Übrigens wurde die Braut dann ins Haus der Schwiegermutter gebracht, wo sie eine Woche lang blieb. (Danach geht eine Braut jeweils nochmals für eine Woche zu ihrer Familie zurück, bevor sie dann endlich mit ihrem Ehemann zusammen sein kann.) Gegen Abend neigte sich das schöne Hochzeitsfest dem Ende entgegen und wir fuhren mit vielen Eindrücken und vollen Mägen nach Hause.

Ankunft der gänzlich verhüllten Braut auf dem Töff

Ein hoher Preis

Ein anderer ehemaliger Lernender hat sich vor ein paar Jahren während seiner Lehre bei uns entschieden, sein Leben Jesus anzuvertrauen. Die Situation war von Anfang an sehr schwierig für ihn. Er wurde wegen dieser Entscheidung von seiner muslimischen Familie und teilweise auch von seinem Umfeld verstossen. Sein Wunsch ist es, sich mit seinem Vater zu versöhnen, ohne jedoch seinen Glauben an Jesus verleugnen zu müssen. So hat er vor gut einem Monat wieder einmal seine Familie besucht. Leider eskalierte die Situation und die Polizei musste eingreifen, um ihn zu schützen. Er verbrachte drei Tage im Gefängnis.

Wir haben daraufhin mit ihm gesprochen und ihm geraten, die Stadt für einige Zeit zu verlassen. So lebt er momentan in einer anderen Stadt, wo er bei Freunden, die auch Jesus nachfolgen, Unterschlupf gefunden hat. Sein Traum bleibt aber, in unsere Stadt zurückkehren, zu seinem Glauben stehen und im Frieden mit seiner Familie leben zu können. Bitte betet für ihn in seiner schwierigen Situation.

Aktuelle Lage in Guinea

Wir sind dankbar, dass Guinea eher wenig von Covid-19 betroffen ist. Es ist jedoch anzumerken, dass es nicht die gleichen Testmöglichkeiten wie in Europa gibt. So liegt für die Menschen hier in unserer Stadt die nächstgelegene Möglichkeit etwa sechs Autostunden entfernt. Und in Guinea suchen die Leute nicht sofort ein Spital auf, wenn sie krank sind. Das Gesundheitswesen ist unterentwickelt und für die Einheimischen oft viel zu teuer.

Nach dem Militärputsch im September mit dem Sturz des Präsidenten haben sich die meisten Bewohnenden unserer Stadt gefreut. Sie erhoffen sich von der Übergangsregierung, dass Stabilität ins Land einkehrt und die Korruption abnimmt. Die ersten Schritte der neuen Übergangsregierung gehen in eine gute Richtung. Jedoch ist es eine Herkulesaufgabe, ein ganzes politisches System, ja eine Gesellschaft zu verändern. Das braucht viel Zeit und Weisheit. Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen in Guinea diese Geduld aufbringen können und auch selber bereit sind, mit der alltäglichen Korruption zu brechen und ihren Teil dazu beizutragen.

Herzlichen Dank für euer Interesse und euer Mittragen.

Amélie und Sandro M., Projektleitung

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